Kurzgeschichte Kurzgeschichten von Madrabour

Padriac (Teil 2) - Die Suche nach der Vergangenheit


An einen Baum gelehnt sitzend denke ich an die letzten Wochen. Als ich damals bei Damhnait ankam, wusste ich nur sehr wenig über mich selbst. Und noch weniger wusste ich über den Weg der Nacht. Nun, zumindest was das Zweite anging konnte mir Damhnait helfen. Auch sie spürte (wie schon Grada), dass der Weg der Nacht in mir sehr stark zum Ausdruck kam. So nahm sie mich ohne grosses Bedenken als einen weiteren Lehrling an. Sie lehrte mich, dass sich das Fortschreiten meine Kenntnisse in so genannten Lern- oder auch Wissenskreisen abschätzen lässt, was natürlich nur ein sehr grobes Mass darstellt. Zu beginn steht man im ersten Kreis. Der leichteste Schritt ist der in den zweiten Kreis, aber nur einige schaffen irgendwann den Weg bis zum fünfzigsten Kreis. Ich lernte, wie ich mich in der Wildnis fast ungesehen bewegen kann, aber auch wie ich mich effektiv schnell bewege. Ich lernte über die beiden Pfade, den Pfad der Konzentration und den der Essenz. Für einen der beiden müsste ich mich dann entscheiden, wenn ich den fünften Kreis betrete. Den ersten Pfad würde ich als Waldläufer begehen, der zweite Pfad war der des Nachtschattens. Ausserdem übte ich den Umgang mit dem Schwert, naja besser gesagt mit dem Katzbalger. Aber bei den ersten Übungen im freien Gelände, bei denen ich u.a. gegen 'Gegner' wie Frösche und Wasserkäferlarven kämpfte, konnte ich neben Erfahrung auch die 'Hinterlassenschaften' der besiegten Gegner einsammeln und mir bald bessere Kleidung und irgendwann auch eine bessere Waffe leisten.
Später gab mir Damhnait einige kleine Aufträge. Einige davon waren vieleicht nicht ganz legal, aber schliesslich musste ich lernen, mich im Schatten zu bewegen. Ich fing z.B. bei einer Spurenleserin einen Brief ab oder beobachtete eine andere Spurenleserin, um einen Kontaktmann herauszufinden. Während dieser Aufträge lernte ich auch die nähere Umgebung kennen, einmal gelangte ich sogar bis nach Mag Mell, einem Ort weit nördlich von Howth. Das ich fast an den Toren von Tir Na Nog, der größten und schönsten Stadt in der ganzen Region, gestanden hatte, war mir zu dem Zeitpunkt allerdings nich bewusst. Manchmal hatte ich jedoch das Gefühl, an einem bekannten Ort zusein oder diesen oder jenen Baum oder Berg zu kennen. Leider schwand dieses Gefühl meist zu schnell, wenn ich versuchte, darüber nachzudenken.
Die meiste Zeit verbrachte ich aber mit dem Kampf gegen niedere Geschöpfe, da mir das Schleichen doch nicht ganz so lag. So merkte ich bald, das ich eher den Pfad der Konzentration gehen und somit den Beruf des Waldläufers ausüben würde.
So schickte mich Damhnait schliesslich, als sie meinte, ich hätte den fünften Kreis erreicht, nach Tir Na Nog zu Mavelle. Dort könne ich die Fähigkeiten lernen, die ich als Waldläufer benötige. Sie selbst könne mir nichts weiter beibringen, schliesslich sei sie nur für meine 'Grundausbildung' zuständig gewesen. Ich bezahlte also mein Lehrgeld, bedankte mich sehr herzlich und begab mich auf meinen Weg.
Ich überlegte, ob ich nicht evtl. ein Pferd mieten sollte, doch ich beschloss, vorher einen Umweg zu machen, um Grada zu besuchen und danach zu Fuss bis Tir Na Nog zu laufen. Grada freute sich über meinen Besuch und lauschte aufmerksam meinem kurzen Bericht, den ich ihm über meinen 'Werdegang' gab. Das ich bisher nichts weiter über meine Identität hatte herausfinden können, stimmte ihn zwar ein wenig traurig, doch als er merkte, dass ich selbst nicht enttäuscht darüber war, hellte sich seine Stimmung schnell wieder auf. Am frühen Nachmittag brach ich wieder auf und wanderte den weiten Weg bis nach Tir Na Nog hinauf ohne irgendwelche Zwischenfälle (abgesehen von ein paar Kämpfen mit Strauchdieben und Eire-Käfern).
Nun sitze ich also hier vor den Toren Tir Na Nogs und warte, bis sich meine Aufregung ein wenig gelegt hat. Denn aufgeregt bin ich doch schon ein bisschen vor meinem ersten Tag in der großen Stadt.

Endlich betrete ich die Stadt! Die Wachen an den Toren nehmen kaum Notiz von mir, schliesslich ist der Durchgangsverkehr hier doch recht stark. Abenteurer aller Arten kann man hier sehen. Kleine Lurikeen, große Firbolg, die schönen Elfen wandlen hier und natürlich auch Kelten. Manche schwer bewaffnet und gut gerüstet, andere nur mit leichten und einem Stab gerüstet. Zwischen den großen Palästen und Häusern komme ich mir klein und unbedeutend vor. Und doch erscheint mir das alles seltsam vertraut, obwohl ich meines Wissens noch nicht hier war. Aber was zählt das Wissen, von einem, der sich nur an die letzten paar Wochen seines bisherigen Lebens erinnert!
Und es wird noch seltsamer, unbewusst aber zielstrebig lenken mich meine Füße durch die Strassen Tir Na Nog's. Ich komme durch einen dunklen Gang und stehe plötzlich in einer hohen Halle. Und dann stehe ich (mal wieder...) vor einer Firbolg. Sie schaut mich fragend an: "Sei gegrüßt! Was willst Du von mir, Brigant?" Nun, so genau weiss ich das auch nicht. Um wenigstens etwas zu sagen, frage ich schliesslich "Seid ihr Mavelle, die Waldläuferausbilderin?" "Nein, mein Name ist... " 'Sie heisst Selia' schiesst es mir durch den Kopf "...Selia!" setzt sie ihren Satz fort. "Mavelle findest Du östlich von hier. Gehe einfach den Gang dort bis Du zur Strasse kommst und dann Richtung Lough-Derg-Tor. Zur Not kannst Du ja auch einen der Wächter fragen, die geben Dir sicher gerne Auskunft." Ich verabschiede mich verwirrt und gehe zurück zur Strasse. Je mehr ich mir die Strassen und Häuser hier anschaue, desto mehr bin ich mir sicher, hier schon gewesen zu sein. Schliesslich vermeine ich sogar bekannte Gesichter bei den Händlern an den Ständen auszumachen und es fallen mir Namen ein. Schaue ich jedoch in ein solches mir bekanntes Gesicht, so bekomme ich als Erwiederung nur fragende Blicke. Als ich auf eine junge keltische Händlerin, deren Name mir grade eingefallen ist, zugehe und sie frage, ob wir uns kennen, meint diese nur, dass sie auf solch plumpe Annäherungsversuche verzichten kann. Ich solle etwas kaufen oder verschwinden.
Ich setze mich auf eine Stufe und überlege. Ich komme zu dem Schluss, nun ersteinmal das zu tun, weswegen ich hierher gekommen bin. Und so mache ich mich auf den Weg zu Mavelle, meiner neuen Ausbilderin. Das ich den Weg auf einmal genau kenne, wundert mich nicht mehr...

Bis ich endlich vor Mavelle stehe, sollte jedoch noch etwas Zeit vergehen, denn ich bin nicht der einzige, der zu der Waldläuferin will, und so ist erst einmal warten angesagt. Es ist soweit! "Du willst also Waldläufer werden?" Sie mustert mich von Kopf bis Fuss. "Na, wenn Damhnait meint, du seiest so weit, wird es wohl so sein. Bisher hat sie sich ja fast nie geirrt." Doch meine Erwartung, jetzt einen ausgeklügelten Trainings- und Lehrplan vorgesetzt zu bekommen sowie eine Liste mit Materialien, die ich zu besorgen habe, wird schwer enttäuscht. Statt dessen reicht sie mir einen (zugegebenen wunderschönen!) Reflexbogen, sogar einen mit magischen Verzauberungen! Den Rest meiner Ausrüstung müsse ich mir selbst besorgen. Dann erläuter sie mir ich recht knappen Worten, wie ich mit meinem Bogen umzugehen habe, wie ich mich auf einen besonders gut sitzenden Schuss konzentrieren und vorbereiten kann. Dann drückt sie mir noch ein Pergament in die Hand. "Lies das gründlich und übe die Sprüche, wie es vorgeschrieben ist. Wenn du die Anweisungen genau befolgst, kannst du damit eine schwache Rüstung herbei zaubern. Auf der Rückseite findest du noch einen Spruch, der deine Stärke ein wenig erhöht." Ich muss beide Sprüche einmal vorlesen, natürlich klappt es in der Aufregung erst beim dritten mal, aber die Gefühle, als es endlich klappt, sind unbeschreiblich. "Wenn du noch Fragen hast, komme einfach nochmal vorbei, wenn nicht so viel los ist wie heute. Vorher solltest du aber die Sprüche auswendig gelernt haben, denn das Pergament will ich bei deinem nächsten Besuch zurück haben, Material ist knapp in diesen Zeiten. Und die Sprüche werd ich abprüfen. So, und nun hinaus mit dir, Übung macht den Meister!" grinsend schiebt sie mich vor die Tür "Achja, eventuell kannst du in Mag Mell mal bei Fagan vorbeischauen, er hat gelegentlich ein paar Aufträge zu vergeben. Falls du dir ein paar Münzen verdienen willst, kannst du dich an die Wächter in den Orten wenden, auch sie suchen manchmal Leute. Machs gut!" Als ich mich verdattert umdrehe, hat schon wieder jemand das Zimmer der Ausbilderin betreten und die Tür ist geschlossen. Mein Besuch bei Mavelle dauerte nur etwas mehr als eine Stunde. "Auf Wiedersehen!" vor mich hinmurmelnd trete ich nach ein paar Augenblicken wieder auf eine der belebten Strassen Tir Na Nogs.

Eine Gestalt, ganz in einem pechschwarzen Umhang gehüllt, steht auf der anderen Strassenseite. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und nur einen schmalen Streifen in Augenhöhe freigebend schaut sie sich suchend um. Als ihr Blick auf mich fällt erkenne ich Augen. Aber was für Augen! Ein grell leuchtendes Orange mit einer winzige schwarzen Pupille zieht mich in seinen Bann. Zielstrebig kommt, schwebt die Gestalt auf mich zu. Ich bin zu keiner Bewegung fähig. Die Gestalt erreicht mich. Ich nehme eine Bewegung unter dem Umhang war. Als ich meine Augen von denen der Gestalt losreissen kann, erkenne ich eine Hand. Eine Hand aus... Knochen! Sie hebt sich langsam und ich denke an Flucht. Doch der Gedanke nützt mir nichts, denn ich bin zu keiner Bewegung fähig. Als mich die Hand am Arm berührt, wird es nacht um mich herum.
Dunkelheit. Umrisse von Häusern. Und Schatten! Obwohl es ringsherum dunkel ist, sehe ich Stellen, an denen die Dunkelheit noch schwärzer als schwarz erscheint. Kein Geräusch ist zu vernehmen. Stille. Totenstille! Niemand da... nur die Schatten. Da! Ein Schrei! Dann wieder Stille. Ein Hauch im Nacken. Verschreckt drehe ich mich um. Nichts! Nur Dunkelheit! Und Stille! Und Schatten... in den Schatten. Eine Gänsehaut breitet sich über meinem ganzen Körper aus.
Suchend schaue ich mich um. Gibt es denn nirgends ein Licht? Als hätte mein Gedanke es herauf beschworen, plötzlich ein Licht. Im Fenster des Hauses Gegenüber. Ein flackerndes Leuchten erhellt... eine Fratze des Schreckens! Hohle, leere Augen scheinen mich anzublicken. Der Mund ist zu einem Grinsen verzerrt, die Nase nur zwei knöcherne Löcher. Furcht erfüllt mich! Ich will mich zur Flucht umdrehen, da sehe ich in einem weiteren Fenster noch eine Schädelfratze! Überall plötzlich leuchtendtote, orangeflackernde, grinsende Köpfe von Monstern, Ungetümen wie ich noch nie welche sah. Das flackernde Licht aus den Fenstern erhellt die Strasse nur wenig, doch in den Winkeln der Häuser ist es dunkler denn je.
Die schwarzen Schatten scheinen sich zu aufeinanderzu zu bewegen und sich miteindander zu vereinigen. Und da! Die Schattengestalten wandeln, schweben, kriechen auf mich zu. Ich beginne zu schreien. Ich wende mich ab! Furcht, Angst, Panik, Schrecken! Immer noch schreiend laufe ich immer schneller die Strasse hinauf. In all den Häusern, an denen mich meine Flucht vorbei führt sehe ich die schrecklichen Gesichter, Masken des Grauens, des Todes! Plötzlich vor mir ein Haus. Kein Licht, aber auch keine Schatten. Meine Rettung?
Plötzlich brandet mir auch aus diesem Haus das feurig rot-orange flackende Licht entgegen. Ein Kopf, riesiger als alle anderen erhebt sich vor mir. Ich laufe auf einen Schlund von einem weit geöffneten Maul zu! Stop! Zu spät, ich kann meine Flucht nicht bremsen! Meine Flucht führt mich hinein... hinein in meinen Tod!
Und... ich pralle von eine Hauswand zurück und falle hin, sitze auf dem Boden. Mein Blick hebt sich zum Fenster des Hauses. Flackerndes Kerzenlicht fällt aus dem Inneren eines ausgehöhlten und mit einer Fratze verzierten Kürbis' auf mich herab.
Tageslicht! Ohne einen Schritt gegangen zu sein stehe ich noch immer am Strassenrand, als wäre nichts geschehen. Die schwarz eingehüllte Gestalt wispert mir zwei Worte ins Ohr und läuft weiter, auf einen anderen Passanten zu. Die Worte hallen noch in mir, als ich laut zu lachen beginne: "Fröhliches Halloween!"

Verwirrt von der Informationsflut, die mir Mavelle verpasst hat, setze ich mich auf eine der nahen Stufen und versuche, meiner Gedanken Herr zu werden. Mein Blick richtet sich auf das Pergament in der einen und den Bogen in der anderen Hand. Nur am Rande bemerke ich das jemand neben mir stehen geblieben ist. Erst als er mich anspricht, blicke ich auf. Ein Kelte steht vor mir. Soweit ich es auf den ersten Blick beurteilen kann, ein gestandener Abenteurer. Er trägt einen Bogen, natürlich nicht so schön und neu wie meiner, jedoch in gut gepflegtem Zustand. Doch vermutlich hat der Bogen einen Wert, den ich kaum einschätzen kann. "Na, du siehst aus, als hättest du grade von Mavelle deine erste Lehrstunde bekommen." "Sieht man das?" antworte ich. Schallendes Lachen! "So macht sie das mit allen! Ich habs ja auch selbst erlebt! Keine Angst, ich habe vor langer Zeit auch so angefangen, und Mavelle war schon immer so. Befolge einfach ihre Ratschläge, und du wirst sehen, die Waldläuferei ist gar nicht so schwierig. Ihr Lieblingsspruch 'Übung macht den Meister!' ist da sehr zutreffend. Einen Tip hab ich noch für dich." mit diesen Worten zieht er irgendwo hinter seinem Rücken ein Päckchen hervor und reicht sie mir. "Wenn Du Pfeile kaufen gehst, solltest du nicht die ganz billigen nehmen, sonder solche wie diese. Die sind zwar etwas teurer, aber grade für die ersten Übungsstunden wesentlich besser geeignet." Mit diesen Worten überläßt mich der Waldläufer wieder meinen Gedanken.
Ich lege Pfeile und Bogen neben mich und betrachte erneut das Spruchpergament. Mehrmals lese ich leise die beiden Sprüche. Ich bemerke, das jedesmal beim Aussprechen auch ein sichbarer Effekt eintritt. Für kurze Zeit scheint mich ein Glanz zu umgeben, und die Passanten auf der Strasse schauen schon etwas verwundert zu mir herüber. Als ich glaube, den Spruch für körperliche Stärke auswendig zu kennen (den zweiten will ich etwas später lernen), betrachte ich meinen Bogen und bedenke, was nun als nächstes zu tun sei. Ich beschliesse, erst einmal meine Ausrüstung etwas aufzustocken. Ich sammle meine Sachen auf und mache mich auf den Weg zum Markt.
Als ich keine drei Schritte getan habe, glaube ich plötzlich, einen Schwächeanfall zu haben, mein Gepäck erscheint schwerer. Da fällt mir mein Spruch ein! Scheinbar wirkt er nur eine begrenzte Zeit. Eine Information, die weder auf dem Pergament stand noch von Mavelle gegeben wurde. Das fängt ja gut an, ich hoffe, sie hat mir nicht noch mehr verschwiegen. Naja, vieleicht sollte ich diese Erfahrung einfach selbst machen. Während ich weitergehe, flüster ich den Spruch und... nichts passiert. Ich krame das Pergament hervor: alles richtig gemacht! Nochmal. Nichts! Ich bleibe stehen. Noch ein Versuch. Erleichterung: Das kurze Glitzern umgibt mich und im gleichen Augenblick fühle ich mich wieder stärker. Also merken: Sprüche im Stehn, nicht im Gehn! Über die Sprüche muss ich mit Mavelle auf jeden Fall noch mal reden!

Als erstes besuche ich einen Pfeilhändler. Dort kaufe ich noch eine Menge von den Pfeilen, die der Waldläufer mir vorhin empfohlen hat. Danach wird die Kleidung erneuert. Diese unbehandelten Cruaighleder-Sachen sollten etwas länger halten als mein altes Zeug. Da ich mir keinen Bogen kaufen muss, habe ich noch einiges Geld übrig und kaufe mir noch ein besseres Schwert. Als immer noch ein paar Münzen in meinem Geldbeutel klimpern beschliesse ich, die Nacht ausnahmsweise in einer Herberge statt in freier Natur zu verbringen. Dort kann ich in Ruhe meine zwei Sprüche auswendig lernen und üben. Für den nächsten Tag nehme ich mir vor, zeitig aufzustehen, raus in die Wildnis und Bogen schiessen üben. Vieleicht würde ich ja auch gleich noch bei Fagan in Mag Mell vorbeischauen, wie mir der keltische Waldläufer empfohlen hat. Sicher würde er irgendwelche herausfordernden Aufgaben für einen frischgebackenen Waldläufer bereithalten. Bei den Wachen könnte ich auch noch nachfragen! Im ebenfalls nicht weit entfernten Ardee könnte ich mich auch mal sehen lassen und mich ebenfalls nach zu erledigenden Heldentaten erkunden. Und dann noch hier, und dann noch dort. Aufgeregt schiessen mir alle möglichen Gedanken und Ideen durch den Kopf, wie ich mein Leben als Abenteurer führen könne. Und als ich im weichen Tavernenbett endlich den Schlaf finde, ist es schon weit nach Mitternacht.

Seit meinem ersten Schuss mit dem Bogen sind viele Tage und Nächte vergangen. Manchmal denke ich, es war erst gestern, manchmal erscheint es mir, als wären Jahrzehnte vergangen. Vieles habe ich seit dem erlebt. Einiges ist erzählenswert, einiges wiederum nicht und vieleicht werde ich die erzählenswerten Geschichten eines Tages niederschreiben. Doch im Moment, wie ich fern ab von den großen Orten allein unter einem Baum sitze, denke ich über etwas anderes nach. Ich denke an mein Zuhause. Mein Zuhause?
Obwohl ich meist auf Wanderungen quer durch die Lande bin, so habe ich doch so etwas wie ein Zuhause: Gradas Hütte. Zwar habe ich versucht, Grada regelmäßig zu besuchen, aber mein letzte Besuch ist inzwischen schon viel zu lange her. So beschliesse ich, ihn endlich wieder aufzusuchen. Als ich endlich ankomme, habe ich den Eindruck, als würde der Druide mich schon sehnlichst erwarten. Richtig! Nach einer kurzen Begrüßung fragt mich der Firbolg nicht nach meinen Abenteuern wie sonst. Statt dessen hat er mir wichtige Neuigkeiten mitzuteilen: Auf einer seiner Wanderungen hat er eine seltsame Geschichte gehört. Seit einiger Zeit liegt auf einer Waldlichtung auf der anderen Seite des Sees ein Skelett. An und für sich nichts besonderes, doch mit diesem Skelett hat es etwas besonderes auf sich: Es verrottet nicht! Kein Fleckchen Moos setzt auf ihm an und auch kein wildes Tier vergreift sich daran. Und noch etwas seltsames wurde beobachtet: In einer Vollmondnacht hörten Wanderer, die zufällig in der Nähe ein Lager aufgeschlagen hatten, einen Schrei. Als sie nach dem Verusacher des Schreis suchten, fanden sie die Lichtung mit dem Skelett. Und obwohl der Vollmond die Lichtung hell erleuchtete, strahlte an einer Stelle ein besonders grelles Licht in allen Farben des Regenbogens. Als sich die Wanderer diesem Licht nähern wollten, wurde eine Lichtkugel sichtbar, welche begann, sich langsam über den Boden zu bewegen. Dann schwebte diese Kugel langsam auf den Waldrand zu und verschwand in Richtung des Sees. Die Wanderer näherten sich dem Punkt, an dem sie das Licht zuerst gesehen hatten und fanden dort das unberührte Skelett vor. Nach einer kurzen Beratung verliessen die Wanderer die Lichtung und kehrten zu ihrem Lagerplatz zurück.

Leider konnte Grada nicht herausfinden, wer diese Wanderer waren, aber zumindest eins konnte er aus den verschiedenen Erzählungen schliessen: Die Sichtung der Lichtkugel muss in etwa zu der Zeit gewesen sein, zu der ich bei Grada aufgetaucht bin. Vieleicht war es sogar genau die Nacht, denn auch damals war Vollmond gewesen. Der Druide hat auch das Skelett aufgesucht - ein Firbolg-Skelett, wie er mir berichtete - und hat festgestellt, das auch die Entfernung in etwa übereinstimmen könnte. Und aus einer plötzlichen Laune heraus, hat er etwas 'ganz Verrücktes' (so hat er es selbst ausgedrückt) getan: Er hat die Richtung zu seiner Hütte festgestellt, lief in grade Strecke zum See und ist auf gradem Weg durch den See geschwommen. Auf dem Weg fand er eine Sandbank, auf die der Firbolg liegend keinen Platz gefunden hätte, wohl aber ein kleiner Kelte. Als er am anderen Seeufer ankam, wer er nur etwa 200 Meter von der Stelle entfernt, an der er mich vor Monaten (waren es tatsächlich nur Monate?) gefunden hatte.
Natürlich mach mich der Bericht sehr aufgeregt, habe ich doch endlich etwas gefunden, was eventuell mit meiner Vergangenheit, mit meiner Herkunft zu tun haben könnte! Seit meinem ersten Besuch von Tir Na Nog hatte ich zwar regelmässig das Gefühl, diese oder jene Gegend zu kennen oder auch einer vertrauten Person zu begegnen, doch eigentlich habe ich ansonsten kaum noch über meine Vergangenheit nachgedacht. Und jetzt diese Informationen! Ich will sofort aufbrechen, um mir das Firbolg-Skelett anzusehen und vielleicht die Wanderer zu finden, die die Lichtkugel gesehen hatten. Nun muss Grada mich erstmal zur Ruhe bringen. Es werde bald dunkel, er will noch ein paar Reiseberichte hören und gegessen habe ich auch noch nichts. Ausserdem will die Reise vorbereitet sein. So Hals über Kopf sollte ich keinesfalls lostürzen, wohl am besten noch direkt in den See springen und los? Nein, die Reise will vorbereitet sein. Er hat ja recht, denke ich, eigentlich wollte ich ja sogar mehrere Tage bei dem Druiden bleiben. Aber der Gedanke, direkt durch den See ans andere Ufer zu schwimmen, war mir tatsächlich gekommen.
Später, als wir beim Abendbrot sassen, muss ich von meinen erlebten Abenteuern berichten, doch immer wieder verliere ich den Faden und will statt dessen nochmal die Geschichte vom Skelett hören oder frage nach Details. Es wurde ein langer Abend...
Am nächsten Morgen berat ich mit Grada noch, welche Route ich am besten nehmen soll. Grada meint, es sei das Beste, den See auf der Nordseite zu umgehen, so könnte ich ein paar Informationen in Mag Mell einholen und eventuell auch unterwegs noch das Eine oder Andere erfahren. Ansonsten gibt es nicht mehr viel zu planen und zu tun, da ich meine Ausrüstung ja immer reisefertig bei mir trage und alles andere bereits letzten Abend besprochen wurde. Und so ist die Mittagsstunde noch nicht heran, als ich mich auf die Suche nach mir selbst, nach meiner Herkunft befinde.

Panik! Nur noch ein Gedanke zählt: Flucht! Ich habe viele Skelette gesehen. Ich habe schon Monster und andere Unwesen gesehen, die grösser waren. Doch aus irgendeinem Grund läßt dieses Riesenskelett mich bis ins Mark erschauern. Blind laufe ich vor dem Rotgeknöcherten davon, obwohl es mir den Rücken zugewand hat und mich noch nicht sehen konnte. Ein davon schleichen wäre sicherlich sicherer vor dem übermächtigen Gegner, eine heillose Flucht könnte eher Aufmerksamkeit erregen, doch für einen Gedanken daran bleibt keine Raum! Nur noch rennen, fliehen, flüchten! Wald. Die Äste schlagen mir ins Gesicht, doch ich spüre den Schmerz nicht, den der glühende Stich der Furcht brennt im ganzen Körper. Und plötzlich Stürzen. Ein Stein, versteckt im Gras, wurde zur Stolperfalle. Erlösende Dunkelheit. Mein letzter Gedanke gilt dem schrecklichen Feind. Und ein Name: Nofier!
Als ich wieder zur Besinnung, ist der Schreck abgeklungen und die Panik erscheint unwirklich, unerklärlich. Das Einzige was bleibt, ist der Name: Nofier! Und die Ahnung, dass das Knochengerüst etwas mit meinem Schicksal, mit meiner Vergangenheit zu tun hat.
Ich sehe mich um. Meine Flucht hat mich auf eine Lichtung geführt. Sie hat mich auf DIE Lichtung geführt! Bis zu meiner Begegnung mit Nofier verlief meine Reise um den See ereignislos... zu ereignislos. Ich durchsuchte in dieser Region zahllose Wälder und Lichtungen, befragte Wanderer, Abenteurer und wohl alle Kreaturen, die mir nicht gleich den Schädel einschlagen wollten. Alles ohne Erfolg! Das ich die Lichtung doch noch gefunden habe, wirkt fast wie ein Wunder. Ebenfalls wie ein Wunder erscheint es mir, dass mir die Flucht vor Nofier geglückt ist.

Als ich meinen Blick hebe, sehe ich ein Skelett, angelehnt an einen ein Meter hohen und zwei Meter breiten Stein. Schon wieder ein Skelett, es gibt wahrlich zuviele davon in diesen Zeiten! Doch dieses ist weder vermodert, wie soviele, die auf den Schlachtfeldern liegen, noch ist es so rötlich wie das des untoten Nofier. Dieses hier ist strahlend weiss und keinerlei Zeichen von irgendeinem Verfall ist zu sehen. Langsam krieche ich auf allen Vieren näher. Als ich es erreicht habe, hebe ich meine Hand, doch kurz bevor ich es berühre, schrecke ich zurück. Ich nehme eine knieende Position ein. Irgendetwas zwingt mich, erneut meine Hand zu erheben. Als meine Fingerspitzen den Totenschädel berühren, zerspringt die Umgebung, um Sekunden später wieder zusammenzufliessen. Alles erscheint auf einmal unwirklich und doch erschreckend real, ein einziger Widerspruch in sich. Und dann stürzen Bilder auf mich ein.
Ich sehe die Lichtung. Die Sonne steht schon hinter den Bäumen, weite Schatten fallen über der Lichtung. Eine Schar Elfen betritt die Lichtung. Und dort, ein Stein. Angelehnt eine tote Gestalt. Ein toter Firbolg. Als die Elfen den Leichnam erblicken, streben sie auf ihn zu. Ein Elf nimmt die Hand des Toten. Eine Stimme "Es ist noch nicht zu spät!". Die Elfen setzen sich im Kreis um den Stein mit dem Firbolg. Das Bild verschwimmt... und wird wieder scharf. Auf der Lichtung ist es vollkommen dunkel, nur der Kreis der Elfen wird durch mehrere Fackeln erleuchtet. Doch das erst optimistische Gesicht der Elfen ist nun durch Trauer gezeichnet. Als der Blick auf den Stein fällt, sieht man den Grund. Der Leichnam ist verschwunden, nur noch ein weisses Skelett strahlt eine mattes Licht ab.
Da dreht sich einer der Elfen ruckhaft um und sieht mir genau in die Augen. Obwohl er weit entfernt sitzt, trifft mich sein Blick wie ein Blitzstrahl. Er erhebt sich, kommt auf mich zu. Und spricht nur diese Worte: "Tir Na Nog, Laghras". Das Bild verschwimmt erneut... und ich sitze wieder bei hellem Tageslicht auf der Lichtung. Wohin ich mich als nächstes begebe, weiss ich genau!

Endlich wieder in Tir Na Nog. Viel länger als gedacht hat die Reise gedauert, denn mehrfach wurde ich aufgehalten. Mehrfach führten an mich herangetragene Aufträge genau in die entgegemgesetzte Richtung, in die ich wollte.
Doch nun hab ich endlich wieder sicheres Territorium erreicht. Fragt sich nur, für wie lang. Ich frage eine Wache nach Laghras und der Wächter beschreibt mir den Weg. Ohne jemand anderes eines Blickes zu würdigen bewege ich mich durch die Strassen der Stadt bis ich das gesuchte Haus erreicht habe. Ich klopfe an und der Gesuchte -ich erkenne sofort den Elfen von der Lichtung wieder- öffnet mir die Tür. Ich nenne ihm meinen Namen und den Grund meines Hierseins. Er bittet mich herein, schliesst die Tür und spricht: "Es ist grosses Glück für dich, dass du ausgerechnet heute erscheinst, denn gestern war ich noch nicht da, morgen wäre ich bereits wieder fort gewesen. Doch nun setz dich und erzähle mir deine Geschichte." Nachdem ich mich gesetzt habe, schenkt er mir aus einem Krug Wasser in einen Becher und setzt sich ebenfalls. Während ich meine Geschichte, den Teil meines Lebens, an den ich mich erinnern kann, erzähle, steht er hin und wieder auf, macht einige Schritte und setzt sich wieder. Doch er unterbricht mich kein einziges Mal.
Erst als ich ende, spricht er wieder: "Du musst schlafen. Ich verschiebe meine Abreise um einen Tag. Morgen früh erzähle ich dir, was ich über die Sache weiss." Ohne weitere Worte führt er mich zu einer Liege. Erst jetzt spüre ich meine Erschöpfung. Die vergangenen Tage und Wochen waren doch sehr anstrengend, und kaum habe ich mich niedergelegt, schon schlafe ich auch tief und fest.

Im gleichen Augenblick, in dem ich erwache, betritt der Elfe das Zimmer. Ich setze mich auf, er setzt sich auf einen nahestehenden Stuhl und ohne einen morgendlichen Gruß beginnt er mit seiner Geschichte:
Damals kehrten die Elfen von einem Treffen zurück, dessen Grund er allerdings nicht erwähnte. Als die Elfen an der Lichtung vorüber kamen, entdeckten sie den Leichnam des Firbolg, das hatte ich bereits in meiner Vision gesehen. Die Elfen, denen ein Ritual bekannt war, mit dem man Tote auch noch einige Tage nach ihrem dahinscheiden ins Leben zurückrufen kann, bildeten eine Kreis um den Firbolg und begannen eben dieses Ritual. Im leisen Singsang der Elfen erhob sich der Leichnam langsam in die Höhe und schwebt schliesslich einen Meter über dem Boden. Ein winziger, heller Lichtpunkt erschien. Ein weiterer tauchte auf, und noch einer und noch einer, bis schliesslich ein zweiter Körper, nicht aus Fleisch, sondern aus Lichtpunkten, direkt über dem toten Firbolg schwebte. Und dann muss etwas schief gegangen sein! Irgendetwas unerwartetes musste passiert sein! Der Lichtkörper senkte sich nicht auf den toten Firbolg herab. Statt dessen begann der Körper des Leichnams in kleine Teile zu zerfallen, bis nur noch ein leuchtendweisses Skelett vorhanden war. Während das Skelett nun zu Boden viel, begannen die kleinen Leichenteile immer schenller Bahnen um den Lichtkörper zu ziehen. Kreuz und quer und ohne erkennbares Muster flogen die Teile um den Körper herum und rissen dabei einige der Lichtpünktchen mit sich. Plötzlich ein lautes Geräusch, fast wie ein Schrei! Die Teilchen des toten Firbolg zerstoben in alle Richtungen, ebenso die mitgerissenen Lichtpünktchen. Als sie den Kreis der Elfen erreichten, stoppten sie, flogen etwa zwanzig Meter nach oben, dann aufeinander zu, bis sie schliesslich eine Kugel bildeten. Diese Kugel flog weiter und weiter nach oben, bis sie selbst von den scharfsichtigen Elfen nicht mehr gesehen werden konnte.

Als die Elfen ihren Blick wieder auf den Stein richteten, schwebte dort immer noch der Lichtkörper. Doch dieser war erheblich kleiner geworden. Statt wie ein großer Firbolg sah er nun noch aus wie ein, nun, wie ein etwas zu klein geratener Kelte. Diese Form wurde nur noch kurz gewahrt, dann bildeten auch die Lichtpunkte eine Kugel und begannen langsam zu steigen. Als sie um einiges nach oben gestiegen war, lösten sich ein paar der Lichter, sanken und bewegten sich auf ein nahe stehendes Gebüsch zu. Dieses umkreisten sie mehrfach und stiegen dann wieder auf und fügten sich erneut in die Kugel ein. Langsam begann die Kugel nun über den Wald zu schweben, glitzerte nocheinmal durch die Bäume und war dann ebenfalls verschwunden. Das einzige, was zurückblieb, war das Skelett des Firbolg. Trauer schlich sich in die Gesichter der Elfen und fragende Blicke. Was war passiert. Da schrak Laghras auf, blickte sich um und sah... nichts. Doch irgendetwas, irgendeine Macht trieb ihn, aufzustehen, ein Stück über die Lichtung zu gehen und seinen Namen und einen gelegentlichen Aufenthaltsort zu nennen: Tir Na Nog.
Später gingen die Elfen zu dem Gebüsch, das ihnen die Lichtpunkte gezeigt hatten. Dort fanden sie die Hinterlassenschaften des Leichnams, welche mir der Elf später zeigen würde, und schlossen daraus, das der tote Firbolg vermutlich ein Barde gewesen sei. Laghras nahm die Gegenstände in Verwahrung und brachte sie in sein Haus nach Tir Na Nog. Die Elfen beschlossen, eine Wache auf der Lichtung zu postieren, den sie hofften, die Lichterscheinung würde zurückkehren. Doch als wochenlang nichts geschah und das einzig Bemerkenswerte das nicht verrottende Skelett war, wurde die Wache aufgehoben. Nur noch selten besuchte Laghras die Lichtung.

Nach einigen Augenblicken der Stille folgen noch die Worte "Folge mir!". Ich begleite ihn den Nachbarraum. Auf dem Tisch, an dem wir bereits gestern sassen, liegen nun die Gegenstände, die die Elfen bei dem Leichnam fanden: Mehrere Kleidungstücke, Waffen, Geld und zwei weitere Dinge, die meine Aufmerksamkeit besonders anziehen. Als erstes ein Schild mit dem Wappen einer Gilde: zwei dunkelgrüne, aufeinander zu laufende Streifen auf einem hellgrünen Grund, darauf ein Baum in schwarz. Endlich eine Spur, der Name der Gilde sollte leicht bei den Gildenmeistern herauszufinden sein! Den zweiten Gegenstand kenne ich. Oder ich glaube ihn zu kennen: Es ist eine Laute. Und ich bin mir tatsächlich sogar fast sicher, dass es die Laute aus meinem Traum war. Der Traum, der mich damals so erleichtert hatte.
Bevor ich den Elfen verlasse, bitte ich ihn noch, die Gegenstände weiterhin aufzubewahren. Er verspricht es mir und erlaubt mir sogar, sein Haus jederzeit aufsuchen zu dürfen.
Ich hatte mir Informationen von meinem Besuch erhofft. Nun, die habe ich bekommen. Doch statt der Lösung des Rätsels meiner Herkunft näher zu kommen, tauchen neue Rätsel auf. Wer war der unbekannte Barde? Was war bei dem Ritual passiert? War etwas schiefgegangen oder hatte gar eine höher Macht eingegriffen?
Wie sagte mein Freund Grada einst: Ein Schritt nach dem anderen! Mein nächster Weg führt also zur Gildenregistratur. Dort zeigt man sich sehr freundlich, und nachdem ich das gesuchte Wappen beschrieben habe, wird mir geholfen und ich erhalte sogar die Namen einiger Gildenmitglieder. Nun gilt es also, ein Mitglied der "Bewahrer der Grenzen" ausfindig zu machen. Die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen hatte begonnen. Und Hibernia ist ein ziemlich grosser 'Heuhaufen'...

Die Suche nach einem Bewahrer der Grenzen erweist sich als wesentlich einfacher als befürchtet. Eigentlich kann von einer Suche nicht einmal die Rede sein, denn ich habe erst zwei Schritte auf die Strasse getan, als ich in Gedanken versunken mit einem Kelten zusammenstosse. Ich entschuldige mich mehrmals und gehe weiter. Als ich mich noch einmal umdrehe, sehe ich auf dem Umhang meines Unfallsopfers das Gildenwappen, nach dem ich suche, das Wappen der gesuchten Gilde! Rasch drehe ich mich um und laufe dem Kelten hinterher.
Da Zorodak (mit diesem Namen stellt er sich vor) auf dem Weg zu einem wichtigen Treffen ist, begleitete ich ihn bis zum Stadttor. Ich stelle meine Frage, ob es einen Firbolg-Barden bei den Bewahrern der Grenzen gab, welcher vor einigen Monaten verschwunden sei. Einen solchen gab es tatsächlich, berichtet mir Zorodak. Er nannte mir den Namen des Barden. Ich frage, ob es besondere Umstände bei dessen Verschwinden gab. Die gab es nicht, der Firbolg war einfach eines Tages nicht mehr aufgetaucht und gesehen hat ihn seit dem wohl niemand mehr. Da auch niemand wusste, wo man nach dem Barden hätte suchen sollen, wurde auch eine solche Suche verzichtet. Mehr kann mir der Kelte leider nicht berichten, und so lasse ich ihn ziehen. Als er das Tor, das wir inzwischen fast erreicht haben, grade durchschreiten will dreht er sich noch einmal um und kommt zu mir zurück. "Ein paar Wochen vor seinem Verschwinden hat der Barde mehrfach einen Namen erwähnt. Ein Monster hat ihn wohl mehrfach auf seinen Streifzügen belästigt und das hatte ihn wohl etwas aufgeregt. Irgendwann wollte er es dem Monster heimzahlen. Der Name des Monsters war wohl Nifor oder Nofier oder so ähnlich. So, nun muss ich aber los! Ich wünsche Dir noch alles Gute!"
Wieder habe ich ein kleines Teil des Puzzles, welches meine Herkunft darstellte, gefunden. Und obwohl ich ihn fürchte, kenne ich meinen nächsten Schritt: Ich muss mich auf eine zweite Begegnung mit Nofier einlassen und ich muss ihn irgendwie zur Rede stellen. Ich hoffe, ich bin inzwischen stark und erfahren genug, dass ich bei dem Anblick dieses Riesenskeletts nicht wieder in Panik ausbreche. Zusätzlich stärkt mich der Gedanke daran, nun endlich mehr über den zu erfahren, der ein wichtiges Teil meiner Vergangenheit zu sein scheint. Je mehr ich darüber nachdenke, desto vertrauter erscheint mir der Name des Barden, den mir Zorodak nannte. Fast als wäre es mein eigener. Aber nur fast! Auf jeden Fall ist er der Schlüssel zu meiner Vergangenheit: Der tote Barde Madrabour Mondschein!

Am nächsten Tag begebe ich mich nach Ardee und nehme ein Pferd zu einer Farm auf der Ostseite des See. Ich laufe weiter Richtung Süden, bis ich mich nahe einem Curmudgeon-Lagers befinde. Hier hatte damals meine Flucht vor Nofier begonnen und hier werde ich nun meine Suche nach ihm beginnen. Ich begebe mich auf einen Hügel, um Ausschau zu halten. Natürlich ist weit und breit nichts vom Knochenmann zu sehen. Da es bereits anfängt dunkel zu werden, krieche ich zwecks Nachtlager unter einen vor Blicken schützenden Busch.
Wenn ich in freier Natur nächtige habe ich als Waldläufer einen sehr leichten Schlaf. Zum Glück! Denn kaum eine Stunde ist vergangen, als ich das Geräusch von Schritten höre. Keine Schritte von Menschen oder Tieren. Langsam und mächtig bewegt sich das schritte-erzeugende Wesen. Und es kommt näher! Auf der anderen Seite des Hügels sehe ich erst einen immer größer werdenden Schatten, dann erkenne ich die dazugehörende Gestalt. Ich habe Nofier gefunden! Ein neuer Schauer der Angst will sich in mir regen, aber diesmal kann ich niederringen.

An der gleichen Stelle, an der ich Ausschau gehalten hatte, bleibt nun auch das riesige Skelett stehen, mit dem Blick hinab vom Hügel und mit dem Rücken zu mir. Lautlos stehe ich auf und schleiche näher an das Knochending heran. Als ich nahe genug bin, um einen Bogenschuss wagen zu können, lege ich einen Pfeil auf die Sehne und ziele. Und frage mich, worauf man bei einem solchen Riesenskelett schiessen soll. Von den Knochen würde der Pfeil einfach abprallen, und ansonsten gibt es nichts, was man durchbohren könnte! Wieder ein Hauch von Panik. Wenn ich erneut fliehen wollte, sollte ich dies tun, solange mich Nofier nicht bemerkt hat. Doch mein Bogen entscheidet sich für mich. Meine Finger rutschen von der Bogensehne, der Schuss geht los! Der Pfeil surrt durch die Luft und bohrt sich zwischen zwei Knochen in Nofiers Knie.
Langsam, fast wie in Zeitlupe, dreht sich der Knochenriese um. 'Jetzt oder nie!' denke ich, ziehe meine zwei Schwerter und stürme los. Dreimal so hoch wie ich selbst erhebt sich Nofier vor mir. Ein merkwürdiger Kampf beginnt. Ich selbst kann mit den Schwertern grade seine Oberschenkelknochen erreichen, auf die ich unentwegt einschlage. Nofier hingegen schlägt mit seinen harten Knochenhänden nach mir und zwigt mich zu ständigen Ausweichmanövern. Von Ausgeglichenheit kann keine Rede sein, denn während ich vom Ausweichen und Zuschlagen immer müder werde, scheinen meine Attacken keinerlei Wirkung zu zeigen. Schliesslich misslingt mir ein Ausweichversuch und ich werde von oben getroffen. Ich stürze und versuche mich schnell wieder aufzurappeln. Rückzug! Mir wird klar, das ich hier wohl Hilfe brauche. Diesmal soll meine Flucht jedoch geordneter als bei meiner letzten Begegnung mit Nofier von statten gehen. Also blicke ich mich kurz um, wohin ich am besten laufen könnte. Ich entscheide mich für einen nahen Wald, da hier die Äste der Bäume die Jagd durch das Gerippe behindern würden. Ich laufe los. Ich höre hinter mir, wie Nofier die Verfolgung aufnimmt. Plötzlich jedoch vernehme ich ein krachendes, brechendes Geräusch hinter mir. Im Laufen drehe ich meinen Kopf um... und bleibe stehn. Irgendwo in mir regt sich ein Lachen über das was ich sehen muss. Das Skelettwesen steht nicht mehr auf seinen Knochenfüssen, sonder ist in die Knie gegangen. Es wedelt wild mit den Armen umher. Fast gelingt es ihm, das Gleichgewicht zu halten, doch dann stürtzt es vornüber. Ich nähere mich nun wieder dem Liegenden. Offensichtlich gelingt es ihm nicht, sich zu erheben. Ich entzünde meine Fackel und erkenne im Schein des Lichtes den Grund von Nofiers Sturz: Der Pfeil, der sich zwischen Ober- und Unterschenkel seines linken Beines gebohrt hatte, war nicht gebrochen und führte so dazu, dass das Kniegelenk des Nofier nicht mehr funktionieren konnte. Nun beleuchte ich mit der Fackel den Schädel des Gestürzten. Erst jetzt gibt das Skelett das erste mal ein Geräusch von sich. "Töte mich nicht! Schlage mir nicht den Schädel ab!" Eine hohe Fistelstimme ertönt. Ich kann nicht herausfinden, wie der Knochenmann die Laute erzeugt, aber sie kommen aus der Richtung des Schädels.

Ich war gekommen, um Informationen zu erhalten, und so drohte ich. "Wenn du mir meine Fragen beantwortest, werde ich dir deinen Schädel lassen, aber sonst... Und wage ja nicht dich zu bewegen!" Etwas schwer von Begriff schien Nofier zu sein und so zog sich meine Fragestunde lange hin. Nach vielem Gestammel und noch mehrmaligem Drohen hatte ich jedoch die gewünschten Informationen erhalten. Allerdings waren diese nicht gerade ermutigend. Obwohl Nofier stolz berichtete, schon tausende von Firbolg, Lurikeen, Elfen, Kelten und 'anderen Würmern' erschlagen zu haben, konnte er sich tatsächlich an jeden einzelnen erinnern. Nur einmal hatte er einen Firbolg mit einem Ding das Krach macht (er meinte wohl die Laute des Barden) erwischt. Dieser 'Krach' hatte wohl dem Nofier nicht gepasst, ihm Schmerzen verursacht. So verfolgte er den Barden bis dieser sich auf eine Waldlichtung niederliess. Dort spielte der Barde erneut auf seiner Laute (bzw. quischte und krachte er rum, wie sich Nofier ausdrückte) und machte den Knochenmann noch wütender. Schliesslich Schritt er hinterrücks auf den Barden zu, beugte sich nach vorne und würgte ihn solange, bis das letzte Geräusch verklungen war. Erfreut über die plötzliche Ruhe blieb er ein wenig stehen und lauschte. Später verliess er die Lichtung und wäre fast in eine Gruppe von Elfen ('wiederliche Spitzohrmonster' sagte Nofier wörtlich) gelaufen. Da ergriff er die Flucht vor der Übermacht ('Mir viel ein, dass ich woanders hin wollte. Ausserdem stank es nach Spitzohrmonsterdingers!' waren Nofiers Worte).
Als ich schliesslich nichts mehr aus dem liegenden Gerippe herausbekommen kann, stellt sich mir die Frage ob ich mein Verpsrechen ihm gegenüber halten soll und ihn am Leben lasse oder ob ich die Bedrohung ein für alle mal beseitigen soll, in dem ich Nofier den Schädel abschlage. Diese Entscheidung nimmt mir das Knochending ab, den in einem Augenblick der Unachtsamkeit ergreift es meinen Fuss. Meine Reaktion bedeutet das entgültige Ende von Nofier: Erschrocken schlage ich mit aller Kraft auf die dünnste Stelle der Knochenwirbelsäule zwischen 'Oberkörper' und Schädel. Im Gegensatz zu den keinen Schaden nehmenden Beinknochen schneidet die Klinge glatt hindurch ohne einen großen Widerstand. Ich habe offensichtlich die Schwachstelle des Nofier gefunden. Innerhalb von Bruchteilen von Sekunden zerfallen die Überreste zu Staub und alles was übrig bleibt ist ein kleiner Knochen seiner linken Hand. Einer Eingebung folgend nehme ich dieses Überbleibsel und stecke es in eine meiner zahlreichen Taschen, die sich überall an meinen Kleidungstücken befinden. Es soll noch viel Zeit vergehen, bis ich erfahre, dass das Ende Nofiers wohl doch nicht so entgültig ist, wie erhofft. Doch das ist eine andere Geschichte.

Jetzt weiss ich nun, wie Madrabour Mondschein umgekommen ist. Und ich weiss, das man versucht hatte, ihn wiederzubeleben. Doch zu mir selbst kann ich nur wenige Verbindungen herstellen. Nur der Ort meiner ersten klaren Erinnerungen und die Sichtungen der Lichter zur gleichen Zeitpunkt wie diese Erinnerungen sprechen für die Zusammenhänge zwischen meiner Person und der Madrabours. Achja, das Rätsel um meine unergründliche Furcht vor Nofier spricht ebenfalls für solche Zusammenhänge. Ich bin mir sicher, dass ich mit dem Barden etwas gemeinsam habe. Fragt sich nur, was... Den Rest der Nacht verbringe ich damit, über meine weitere Vorgehensweise nachzudenken. Als sich langsam die Sonne über den Horizont schiebt, weiss ich noch immer nicht, was ich tun soll.
Als ich zum See komme sehe ich, wie eine Lurikeen versucht, ein kleines Boot ins Wasser zu zerren. Hilfsbereit laufe ich auf das Boot zu und packe ohne grosse Fragen mit an und das Boot befindet sich schnell im Wasser. Nach einer kurzen Begrüßung und ein paar Dankesworten der Lurikeen frage ich, wo es denn hingehn soll. "Einfach auf die andere Seite des Sees. Wollt ihr vieleicht mit? Der Platz würde grade reichen und ich brauch mich nicht so anzustrengen beim Rudern." "Warum nicht!" antworte ich und so sitze ich dank einer Zeit sparenden Abkürzung noch am gleichen Abend wieder in Gradas Hütte.

Ich erzähle Grada natürlich alles, was mir seit unserer letzten Begegnung so alles passiert ist. Als ich ende, stellt er mir noch einige Fragen zu dem Ritual, welches die Elfen einst durchführten. Schliesslich ist er mit dem Gehörten zufrieden und überrascht mich mit einer Mitteilung: "Morgen früh, wenn du aufwachen wirst, werde ich nicht mehr da sein. Ich habe Kunde von merkwürdigen Vorkommnissen im Süden Hibernias erhalten und wurde deswegen zu einem Treffen der Druiden gerufen. Wenn genug Zeit bleibt, werde ich die Druiden um Rat für deinen Fall bitten. Ich werde morgen sehr zeitig aufbrechen und -wenn alles gut geht- in ein bis zwei Wochen wieder zurückkehren. Ich würde dich bitten, derweil auf meine Hütte aufzupassen." Bei dem Wort 'aufpassen' zwinkert er schmunzelnd mit den Augen, weiss er doch genau, dass es in der einfachen Hütte nichts gibt, worauf man aufpassen müsste. "Ein bisschen Urlaub kann dir sowieso nicht schaden." Fügt er dann noch hinzu.
Wie schon so oft bei meinen Besuchen wird auch dieser Abend wieder lang. Später, ich schlafe schon fast, höre ich noch, wie der Druide die Hütte verlässt. Der Druide war also ohne eine Verabschiedung schon jetzt zu seinem Druidentreffen aufgebrochen. 'Ein Urlaub würde mir wirklich gut tun.' ist das letzte was ich an diesem Abend noch denke. Und am nächsten Morgen hatte dieser Urlaub am See begonnen.

Langsam mache ich mir wirklich Sorgen. Schon mehr als sechs Wochen dauern nun meine Ferien und Grada ist immer noch nicht zurückgekehrt. Von einer Suchaktion habe ich bisher abgesehen aus Angst, dass er grade dann nach Hause kommt, wenn ich grade die Hütte verlassen habe. Auch jetzt, während ich gerade mein morgentliches Bad im See nehme, grübele ich, was ich wohl unternehmen soll. "He, du Keltenfisch! Komm aus dem Wasser, ich habe Neuigkeiten!" Grada! Endlich! Ein Stein fällt mir vom Herzen, als ich den Druiden am Ufer stehen sehe. Ich verlasse den See also so schnell, wie es mir mein Schwimmstil ermöglicht und begrüße ihn freudig.
Ich bereite ein üppiges Mahl aus Früchten und Gemüse zu. Nachdem wir gegessen haben, bestürme ich den Druiden mit Fragen zu seiner Reise und warum er so lange gebraucht habe. Diese Fragen will mir Grada jedoch nicht beantworten. "Dies ist vorerst noch Druidensache und deshalb geheim!" Die verschwörerische Geheimniskrämerei passt zwar zu Grada, er war noch nie sehr mitteilsam. Meistens wechstelte er aber geschickt das Thema. Das er so offen von Geheimnissen redete ist neu. "Ich werde dir die Geschichte schon irgendwann mal erzählen!" wird er barsch, als ich nicht aufhöre ihn zu drängen "Willst du denn gar nicht wissen, was ich über dich und das Erweckungsritual herausgefunden habe?" Was mir Grada nun berichtet, lässt mich alles andere erst einmal vergessen.

"Wenn ein Wiedererweckungsritual normalerweise fehlschlägt, ist der Tote unwiederruflich ins Reich der Toten verbannt und eine Rückkehr ins Hibernia der Lebenden unmöglich. Normalerweise! Doch im Fall des toten Barden scheint das anders zu sein. Genau gesagt, scheint das Ritual nicht einmal fehlgeschlagen zu sein. Offensichtlich ist alles gut gegangen. Zu gut! Meist führen zwei bis drei Zauberkundige das Ritual durch, ein besonders Erfahrener schafft es sogar allein. Doch in Madrabours Fall waren zwanzig(!) Elfen daran beteiligt. Die Druiden auf der Versammlung waren sich recht sicher, dass sich die Konzentration aller Elfen irgendwie gebündelt haben muss. Und irgendwie wurde diese Konzentration in Energie umgewandelt. Viel zuviel Energie! Der Leichnam konnte diese Lebensenergie nicht unbeschadet aufnehmen und hat diesen förmlich zerissen. Das Ergebnis kennst du ja inzwischen, es waren die zwei Energiebälle, die einst von der Lichtung verschwunden sind. Die Druiden vermuten, dass vieleicht der kleinere dieser Lebensenergieansammlungen irgendwo auf einen anderen Leichnam getroffen ist und diesen mit neuem Leben erfüllt hat. Aber das ist nur eine Vermutung und Spekulation. Und darüber Auskunft kann uns eine Person geben: Madrabour Mondschein, der tote Barde selbst!"
Als Grada eine kurze Pause macht, sieht er in mein ungläubiges Gesicht. "Nun schau nicht so, als wärst du vom Blitz getroffen! Ich bin ja noch gar nicht fertig. Wo war ich stehengeblieben? Achja! Was aus dem zweiten Energieball, der auch die Leichenteile des Barden mit sich genommen hat, geworden ist, wissen wir zwar nicht genau, aber vermutlich ist er noch irgendwo dort bei der Lichtung. Und wenn dem so ist, dann bin ich eventuell in der Lage, den Barden zurück zu holen. Ich weiss nicht genau, ob ich ihn dauerhaft zurück holen kann, oder ob inzwischen zuviel Zeit vergangen ist. Vieleicht ist er bereits zu lange in seiner jetzigen Form und kann seine firbolgsche Form nicht mehr auf Dauer bewahren. Aber auf jeden Fall sollte es möglich sein, ein längeres Gespräch mit ihm zu führen."
Mein Gesicht muss ziemlich merkwürdig aussehen, denn Grada fängt plötzlich an zu lachen. Ich selbst merke nur, dass mein Mund offen steht.

An diesem Abend sitzen wir bei einer Tasse Kräutertee beisammen. Plötzlich schlägt sich der Firbolg mit der an den Kopf. "Beinahe hätte ich ja noch was vergessen! Wenn wir den Versuch unternehmen, Madrabour zurückzuholen, benötigen wir noch ein wenig Unterstützung. Und zufällig habe ich auf meinem Heimweg genau die richtige Person getroffen. Ich glaube, du kennst..." Klopfen an der Tür unterbricht den Druiden. "Ah, da ist er ja schon!" Er steht auf und öffnet die Tür. Eine vermummte Gestalt betritt die Hütte. Als sie ihren Mantel ablegt, erkenne ich sie sofort. Es ist Laghras, der Elfe, der schon beim ersten Versuch Madrabour zu erwecken dabei war. Freudig begrüße ich ihn. Natürlich ist er direkt wie immer. "Morgen in aller Frühe können wir aufbrechen. Ich habe nahebei ein Boot, so das wir das Ritual schon morgen Abend durchführen können. Und dann sehe ich den Elfen das erste mal ein wenig lächeln, als er sagt "Wundert es jemanden, dass morgen Vollmond ist?".

Da ich derjenige bin, der mit dem Barden sprechen soll, sitze ich dem weissen Skelett gegenüber. Links von mir sitzt Grada, rechts von mir Laghras, so das wir zu viert im Kreis sitzen. Vorsorglich hat Laghras sogar die Kleidung des Barden mitgebracht und hinter das Skelett auf den Stein gelegt. Fast senkrecht von oben scheint der Mond auf uns herab und scheint auf uns herabzuschauen. Gespannt lausche ich, wie der Elfe und der Firbolg abwechselnd fremd klingende Sprüche murmeln. Schon fast eine Stunde sitzen wir hier und noch hat sich nichts getan. Überhaupt nichts. Ich beginne zu fürchten, dass das Ritual nicht erfolgreich sein wird.
Doch dann wird das Murmeln zunehmend lauter und lauter. Und dann plötzlich Stille! Selbst die Geräusche, welche bisher aus dem Wald zu hören waren sind verstummt. Kein Windhauch kann den Bäumen ein Wispern abringen, kein Tier bringt einen Laut hervor. Und dann sehe ich einen winzigen Lichtpunkt am Skelett. Obwohl das Skelett vom Mondlicht erleuchtet wird, strahlt dieser Lichtpunkt doch um einiges heller. Er erhebt sich und schiesst dann mit unglaublicher Geschwindigkeit erst nach oben und dann hinweg über die Wälder, nur um Sekunden später wieder zurückzukehren und sich wieder auf das Skelett herabzusenken. Das alles geschah in absoluter Stille, so dass das leise knacken, was nun vom Skelett ausgeht, laut über die Lichtung hallt. Zumindest erscheint es mir so. Langsam erhebt sich das Skelett und gibt dabei knackende und klickende Geräusche von sich. Als das Skelett in unserem Kreis steht, nehme ich von oben ein glitzerndes Leuchten wahr.
Langsam senkt sich eine Lichtkugel herab. Sie verharrt kurz über dem stehenden Skelett. Dann senkt sie sich langsam weiter und verändert ihre Forum. Als das Licht den Boden erreicht, hat das Leuchten um das Skelett die Form eines Firbolg angenommen. Im Glitzern und Blinkern sehe ich, wie sich an den einzelnen Knochen Teilchen absetzen. Ich sehe Organe entstehen, sehe Muskeln und Adern, es bilden sich langsam Haut und Haare. Und alles ist durchwirkt von einem Glanz, einem Licht wie man es nicht beschreiben kann. Vor mir steht der Barde Madrabour Mondschein. Und er beginnt zu sprechen.

"Ahh! Endlich wieder ich selbst! Wie kann ich euch jemals danken?! Äh...ihr entschuldigt mich kurz?" Ich sehe, wie sich der Barde seine Kleidung nimmt, anzieht und wie er sich hinsetzt. Er schaut uns der Reihe nach an. Zuerst Grada, dann Laghras und zum Schluss mich. Gerade als ich beginnen möchte, meine Gefährten und mich vorzustellen, fängt Madrabour wieder an zu sprechen. Erst sind es Worte des Dankes, die er vor allem an Grada und Laghras richtet. Doch dann folgen Antworten auf Fragen. Fragen, die ich noch gar nicht gestellt habe, doch der Barde scheint sie zu kennen. Er beginnt mit seinem eigenen Tod, das feige hinterhältige Erwürgen durch Nofier. Er erzählt, wie er als nächstes das Wiedererweckungsritual erlebt hat. Wie er erst das neue alte Leben in sich spürte, wie es in ihm überquoll, wie es begann, ihm Schmerzen zu bereiten und ihn schliesslich zeriss und er das Gefühl hatte, zweimal zu existieren. Ein Teil seines 'Ichs' irrte in Form der kleineren Lichtkugel ziellos durch den Wald. Der andere Teil zog sich an eine Stelle im Wald, an der er von niemand entdeckt werden konnte und fiel dort in einen schlafähnlichen Zustand. Dieser 'schlafende' Teil spürte, wie der Kontakt zu seinem anderen 'Ich' immer schwächer wurde, bis er schliesslich ganz abriss. Um kurz darauf in einer völlig neuen Form neu zu entstehen. War die Verbindung erst die zwischen zwei Teilen eines Ganzen, so war die neue Kontaktform die zwischen zwei Individuen. Und es war nur ein einseitiger Kontakt. Das schlafende 'Ich', das noch immer Madrabour war, konnte noch immer Gedanken und Gefühle empfangen. Es spürte, dass sich der andere Teil verändert hatte. Aus der Lichtkugel war ein Lebensform entstanden. Ein Kelte. Der schlafende Madrabour verfolgte dieses neue Wesen aufmerksam. So erfuhr er, dass aus dem Teil seines 'Ichs' Padriac geworden war. Und wie im Traum konnte er alles miterleben, was auch Padriac erlebte. Was ich erlebte!
Es gelang Madrabour jedoch niemals, auf sich aufmerksam zu machen. Nur einmal konnte mir Madrabour eine Art Traum schicken, eine Vision. Das war damals, als ich das weisse Skelett berührte. Immer stärker wurde Madrabour seiner Einsamkeit bewusst und er begann, Padriacs Lebensweg weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Fehlten anfangs nur kleinere Stücke, wurden diese Wissenslücken später immer größer und schliesslich fiel er gänzlich in eine Art traumlosen Schlaf.
Doch dann erfolgte ein Augenblick, der erneut alles änderte. Ein Augenblick des Erwachens, der Freude und...des Wissens. Woher das Wissen kam, konnte sich Madrabour nicht erklären, es war einfach in seinem Bewusstsein. Es war Wissen, wie er wieder in die Welt der Lebenden zurückkehren konnte. Madrabour spürte, wie es ihn zurück an den Ort seines Todes zog. Langsam schwebte er nach oben und zurück zu diesem denkwürdigen Platz. Er war nicht überrascht, dass dieser Ort nicht verlassen wahr. Und dann spürte er noch einmal sein anderes Ich, spürte Padriac ganz nah. Langsam senkte er sich zu den drei Wartenden herab. Und was dann geschehen ist, habe ich ja selbst gesehen. Madrabour war zurückgekehrt.

"Nun weisst du, dass wir beide der Teil eines Ganzen waren. Du weisst, wer du WARST. Du kennst die Ursachen dafür, warum du dich an Orte und Dinge erinnerst, die du nie gesehen oder erlebt hast, denn ich habe sie gesehen und erlebt. Und ich kenne einen grossen Teil deines Lebens. Doch würde ich dich bitten, mir nun die Lücken zu füllen, die ich sozusagen 'verschlafen' habe, damit ich erfahre, wer du nun BIST." Als seine letzten Worte verhallt sind herscht einen Blick Stille auf der Lichtung.Erst nach eine kleinen Weile bin ich fähig zu antworten. "Nun, ich werde dir gerne über mich berichten, aber vieleicht sollten wir zuerst in Gradas Hütte zurückkehren, damit du dich ausruhen und etwas zu dir nehemen kannst." Kurz sehe ich, wie Betrübnis über Madrabours Gesicht huscht, doch sie verschwindet schnell wieder. "Hmmm.. Essen würde ich gerne etwas. Doch leider bin ich vorerst nicht in der Lage diese Lichtung zu verlassen. Es gibt noch ein paar Dinge, die ich hier erledigen muss. Ausserdem kann ich meine firbolgsche Form nur noch eine Weile halten." Als ich Madrabour genauer ansehe, sehe ich immer noch das Glitzern in und unter seiner Haut. "Keine Angst, ich werde diese Forum immer wieder herstellen können. Und jedesmal ein wenig länger.
Bis ich aber entgültig wieder der Firbolg bin, der ich einmal war, wird es einige Zeit vergehen. Aber es gibt etwas, was mir dabei helfen könnte. Falls du auf deinen Reisen irgendwann einmal meinem Mörder, dem Nofier begegnen solltest, könntest du ja eventuell einen Knochen von ihm..." Aufgeregt unterbreche ich ihn, habe ich doch tatsächlich bereits einen Überrest von Nofiers Leiche bei mir. Nach einer kurzen Suche finde ich ihn und überreich ihn dem Barden. Wie der Barde seine Hand um den Fingerknochen schliesst sehe ich, dass das Glitzern in Madrabours Körper weniger zu werden scheint, aber nicht ganz verschwindet. "So kann ich etwas länger in meiner jetzigen Form bleiben, hab Dank!"

Als ich Madrabour gerade fragen will, warum er denn die Lichtung nicht verlassen kann, werde ich von Grada, der genau wie der Elfe seit dem Erscheinen des Barden noch kein Wort gesprochen hat, unterbrochen. "Laghras und ich müssen mal kurz zum Boot, wir sind gleich wieder da!" Mit diesen Worten verschwinden beide in der Finsternis. Erneut möchte ich sprechen, doch Madrabour ist schneller "Falls du mich fragen möchtest, warum ich auf der Lichtung bleiben muss, so kann ich dir keine Antwort geben. Ich weiss zwar, das ich hier noch etwas tun muss, noch weiss ich aber nicht, was das genau ist. Ich weiss nicht einmal genau, WOHER ich das weiss... Ich weiss es einfach.... So, nun möchte ich aber ein bisschen über dich erfahren! Wie ich sehe, bist du als Waldläufer dem Pfad der Konzentration gegangen. Konzentration..Hmm, ein Wunder ist das nicht, wenn man die Umstände bedenkt." Lächelnd schaut er mich an.
Gerade als ich antworten möchte kommen Grada und Laghras zurück, und zwar schwer beladen. "Wir haben uns schon gedacht, das wir hier eine Weile verweilen." Mit diesen Worten beginnen die beiden, Fackeln im Kreis um uns herum aufzustellen, da der Mond inzwischen hinter den Bäumen verschwunden ist. Danach holen sie aus den Paketen, die sie im Boot versteckt hatten, alles was zu einem nächtlichen Picknick nötig ist.
Als alles bis zur letzten Brotkrümelchen vertilgt ist - das meiste hat Madrabour gegessen - herrscht eine Weile Stille. Dann fordert mich Madrabour erneut auf, von mir zu erzählen. Gelegentlich unterbrochen von einem "Ach ja, das weiss ich noch!" Madrabours und ein paar Ergänzungen Gradas berichte ich also meine Erlebnisse.
Viel später, die Sonne steht längst hoch am Himmel, ist alles Erzählenswerte erzählt und die Zeit des Abschiedenehmens ist gekommen. Herzlich umarmen wir uns und wir wissen das wir uns wieder sehen werden. Wir werden wissen, wenn der Eine den Anderen braucht. Ein unsichtbares Band wird uns immer verbinden.
Ich verlasse nun die Lichtung mit dem Bewusstsein, das ein Teil von Madrabour immer mit mir -Padriac- unterwegs sein wird. Und das ein Teil von Padriac mit Madrabour auf der Lichtung verbleibt, bis auch Madrabour sie verlassen kann. Und während unsere Vergangenheit -meine Vergangenheit- nun bekannt ist, wartet eine unbekannte Zukunft darauf, erkundet zu werden.

*Ende*

^Hop to the TOP^



Letze Änderung: 07.05.2020

Zitat der Woche:

Im Übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.


Kurt Tucholsky
Madrabours Eck
luegipedia.de Radebeul - Zitzschewig Madrabours Kurzgeschichten II